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Kündigung und Ihre Folgen – Teil 2

Welche Folgen Kündigungen für Menschen und Unternehmen haben: Ein Gespräch mit Everhard Uphoff.

In diesem zweiten Teil dieses Blogbeitrages spreche ich mit Everhard Uphoff unter anderem über die Kosten, die durch eine hohe Fluktuation entstehen und wann Führungskräfte auch mit Wertschätzung an ihre Grenzen stoßen. Wir beleuchten gemeinsam wie sich die Ansprüche der Generation Z auf den Arbeitsmarkt auswirken und was die Fähigkeit der Zukunft sein wird.

Für sein Buch „Gekündigt – zum Glück!“ hat Everhard Uphoff mit über 100 Fach- und Führungskräften über deren Trennungserfahrungen und den Umgang damit gesprochen. Was er darüber zu berichten weiß, lässt einem teilweise die Nackenhaare aufstellen. 

Everhard Uphoff

Was es kostet, wenn ein Leistungsträger die Firma verlässt

Laut einer Studie aus dem Wirtschaftsmagazin Kapital kostet es ein Unternehmen 150 Prozent des Jahresgehalts der zukünftig eingestellten Person, wenn ein gut eingearbeiteter Leistungsträger geht. In dieser Zahl sind nicht nur die durch Rechnungen belegbaren Beträge für die Personalrekrutierung, einer Abfindung oder den Headhunter enthalten. Auch der Schaden, der durch die Frustration und Demotivation der Zurückbleibenden oder den Reputationsverlust des Arbeitgebers und dessen Arbeitgebermarke entsteht, kommen dazu. Der Flurfunk, die Störung oder noch schlimmer, die Zerstörung von Kooperationen und Kundenbindungen ist ein riesiger Graubereich.

Da ist es kaum fassbar, dass Entscheider solche Summen billigend in Kauf nehmen, ohne sich zu überlegen, was man da im Vorfeld vielleicht anders hätte lösen können. Ich habe Everhard Uphoff gefragt, wie er diese Problematik in seinem beruflichen Alltag sieht und ob mit bewusster Kommunikation diese Thematik abgefangen werden könnte.

„Dazu muss man Folgendes wissen: Es gibt eine Studie von Kienbaum Consulting aus dem Jahr 2016 zum Thema Trennungskultur und Trennungsstrategien im Unternehmen. Dieser Studie nach haben 70 Prozent der großen Unternehmen gar keine Trennungskultur. Und der Großteil der Führungskräfte ist nicht auf die Aufgabe vorbereitet, Trennungs- oder Konfliktgespräche durchzuführen.“

Everhard Uphoff

Es gibt Branchen, die bekannt für ihre Hire-and-Fire-Kultur sind. Beispielsweise bei Unternehmensberatungen, das ist dort normal. Aber in Branchen, in denen es Firmen lange Zeit richtig gut gegangen ist, die aber jetzt plötzlich abbauen müssen, weil sie in Low-Cost-Countries gehen, stehen die Führungskräfte plötzlich ratlos da. Sie müssen die unliebsame Aufgabe übernehmen, ihren Kollegen, die sie über Jahre auf dem beruflichen Weg begleitet haben und zu denen sie auch eine Beziehung aufgebaut haben, sagen zu müssen: „Du bist demnächst draußen“.

Richtig schwierig wird es, wenn der Mensch nur als Kostenfaktor gesehen wird. Die Person fällt hinten runter. Schlüssel werden abgenommen, genauso die Karte, damit man sich nicht mehr einloggen kann. Passwörter werden gesperrt. Die Angst, dass der Mitarbeiter dem Unternehmen noch Schaden zufügt, überwiegt. In diesem Fall geht es nur um Zahlen, Daten, Fakten. Emotionen werden ausgeblendet. In dem Moment fehlt es an Souveränität, an Professionalität und Anständigkeit. Und: Sowas spricht sich im Arbeitnehmermarkt sehr schnell rum.

Wie funktionieren Trennungskultur und Trennungsstrategien in Unternehmen?

Wenn vorher ein gutes Gespräch stattfindet, wenn der Mitarbeiter verstanden hat, worum es geht, dass es gar nicht um seine Person geht, sondern um eine strategische Entscheidung, dann muss man als Unternehmer eigentlich nicht diese Angst haben, dass derjenige der geht, jetzt größtmöglichen Schaden verursacht. Hier darf mehr Vertrauen in die Person gesetzt werden.

„Man muss auch nach Unternehmensform unterscheiden. Es gibt circa 500 börsennotierte Unternehmen in Deutschland. Die sind auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Was da am Ende des Tages zählt ist einfach die Rendite, und das auf Teufel komm raus. Das ist die oberste Maxime im Unternehmen. Und dementsprechend ist natürlich auch die Kultur. Alles wird dem unterworfen.“

Everhard Uphoff

Wenn man sich die Firmenlandschaft in Deutschland anschaut, wird man feststellen, dass 85 Prozent der Firmen am Markt kleine Firmen sind, mit maximal zehn Mitarbeitern. In solchen Fällen hat die Firma gar nicht die Mittel für großzügige Abfindungen. Da wird es dann unsauber gelöst, Hauptsache derjenige ist draußen. Und der Schaden, der dabei passiert, wird irgendwie gar nicht ins Auge gefasst. Bei dem Punkt fragt man sich, wie irrational das dann abläuft, dass so viel Geld, Zeit und Nerven verprasst werden. Es geht ja nicht nur um Geld für eine Abfindung, sondern vor allem, wenn es nicht gut gemacht wird, besteht die Möglichkeit, dass eine Kündigungsschutzklage stattfindet. Das bindet Geld, Zeit und Nerven – und es schadet dem Unternehmen.

Die unterschiedlichen Führungsstile und ihre Bewandtnis

Es ist ein Unterschied, ob eine Firma mit einem kooperativen oder einem autokratischen Führungsstil geführt wird. Entsprechend unterschiedlich wird auch mit Entlassungen und Exits umgegangen. Ich habe Everhard Uphoff gefragt, ob er feststellen kann, dass die Trennung bei einem bestimmten Führungsstil besser funktioniert.

„Ich glaube, dass jeder Führungsstil seine Bewandtnis hat. Es gibt Situationen, in denen ein autoritärer Führungsstil richtig und wichtig ist. Wir kommen geschichtlich von der Gutsherrenartführung. Also: „Ich Chef, du nix.“ Das hält sich auch teilweise noch in Unternehmen. Aktuell sprechen wir von großen Umbrüchen, die stattfinden werden, unterschiedliche Entwicklungen, die parallel laufen, wo man sagen kann, das berufliche Umbrüche einfach auch in naher Zukunft schon zur Tagesordnung gehören werden.“ 

Everhard Uphoff

Um diese großen Veränderungen bewältigen zu können, sind große Firmen dazu übergegangen, eine Führungskultur in Richtung „positives Leadership“ zu etablieren. Sie baut auf Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Vertrauen und auf eine Beziehungsebene. Wertschätzung, Feedback, das an einem Strang ziehen, eine gemeinsame Vision und ein starkes WIR-Gefühl sind die Grundlagen. Dazu komm eine Fehlerkultur, die akzeptiert wird.

Führungskräfte, die daraufhin geschult werden, heißen das natürlich willkommen, weil sie Wertschätzung erfahren, weil sie die Möglichkeit bekommen, das Unternehmen nach vorne zu bringen. Sie können in die Verantwortung gehen.

Wann Wertschätzung an ihre Grenzen stößt

Diese neue Führungskultur trifft natürlich noch auf die konservative Kultur, die immer noch vorherrscht. Wenn man im Großunternehmen mit fünf, sechs Hierarchieebenen ist, dann gibt es einen Clash zwischen der jungen Führungskultur und der alten Führungskultur. Letztere basiert eben noch nicht auf Feedback, Wertschätzung und Gemeinsamkeit, sondern da geht es um Machterhalt.

Schauen wir uns mal die 50-plus-Leute an. Da passiert einfach viel, was berufliche Veränderung anbelangt. Diese Leute waren oft nur in einem Unternehmen, haben nicht viele Wechsel erlebt und haben sich etwas aufgebaut. Da ist die Frage: „Wie gehe ich mit sowas um? Was mache ich mit denen?“ Da sind es jetzt nicht die Führungskräfte, sondern es ist das Team. Und da muss ich einen Weg finden, damit umzugehen. Auf einer höheren Ebene ist es ähnlich.

„Ich beobachte schon, dass das passiert. Auch da muss man schauen, in welcher Branche man unterwegs ist. Da gibt es sehr große Unterschiede.

Everhard Uphoff

Viele sitzen das aus, manche brennen trotzdem noch und sagen: „Ich bin noch bereit, etwas Neues zu übernehmen.“ Es gibt zahlreiche Facetten und auch in den höheren Führungs-ebenen wird es Riesenumbrüche geben.

„Bei Großunternehmen nimmt man das so mit. Aber ich habe immer wieder Führungskräftetrainings, wo die Führungskräfte sagen: „Ich habe hier einen Mitarbeiter, der ist unter aller Kanone. Aber ich habe keinen Hebel.“ Sie kommen dann auch mit Wertschätzung an ihre Grenzen. Weil diese Mitarbeiter sich dann oft auch nicht bewegen wollen.

Everhard Uphoff

Gerade in Großunternehmen schieben 20 Prozent der Belegschaft mit an, 80 Prozent laufen hinterher. Wenn der Betriebsrat sehr stark ist, ist das an sich gut, es kann das System aber auch lähmen. Es gibt in Firmen unterschiedliche Strömungen. Auf der einen Seite sind Mitarbeiter, die verstehen, dass gewisse Veränderungen vielleicht notwendig sind.

Sie sind bereit, mitzugehen, Verantwortung mitzutragen, um das Unternehmen, was vielleicht in die roten Zahlen geraten ist, wieder rauszubugsieren. Auf der anderen Seite gehen Mitarbeiter auch gern in den Widerstand. Sie sind nicht bereit mitzugehen und machen es sich sehr gemütlich in diesen Systemen. Sie kennen ihre Rechte sehr gut, ihre Pflichten aber manchmal nicht so gut. Aber in Großunternehmen werden solche Mitarbeiter praktisch mitgeschleift. In kleineren Unternehmen fallen solche Mitarbeiter viel schneller raus. Sie fallen auf und werden enttarnt.

Warum Emotionen oft hochkochen

Weil der Trennungsprozess nicht ordentlich gemacht wird. Weil sie auch das Warum nicht verstehen. Weil sie dann auch sagen: „Ich bin nicht einverstanden mit dem, was da passiert.“ Aus welchen Gründen auch immer das passiert. Es gibt Fälle, wo es nicht anders geht. Dann ist es wichtig, dem Betroffenen zu sagen: „Mensch, das hat nichts mit dir als Person zu tun. Sondern aus unternehmerischen Gründen müssen wir das einfach so tun.“ Dann ist immer die Frage, wie man das Ganze abwickelt.

Das Thema Trennung ist sehr häufig auch mit Emotionen verbunden. Wenn das Trennungsgespräch nicht gut gemacht ist und der Mitarbeiter plötzlich geschockt mit Wut, Trauer und Aggression reagiert, dann reagiert die Führungskraft darauf oder nimmt es vielleicht auch persönlich. Manchmal gab es auch schon vorher Konflikte, die unter der Oberfläche schwelen, aber nicht ausgesprochen wurden. Vielleicht gab es auch keine richtige Feedback-Kultur. So stauen sich gewisse Sachen auf und dann explodiert es im Trennungsgespräch. Oder man bekommt einfach nur einen Brief nach Hause geschickt mit der Kündigung und es hat schlimmstenfalls im Vorfeld gar kein Gespräch stattgefunden. Und dass man dann natürlich wütend reagiert und enttäuscht ist, und vielleicht einfach auch Rachegefühle hat, das ist nachvollziehbar

Hier ist es ist die Aufgabe der Führungskraft zu führen und das Gespräch professionell zu gestalten. Oder es gibt Fälle, wo Leute ins Gespräch reingerufen werden und ihnen verkündet: „Du bist draußen. Vor dem Büro wartet schon der Sicherheitsmann, der dich dann zu deinem Büro begleitet. Du hast noch zwei Minuten Zeit, um deine Sachen zu packen. Du darfst dich von deinen Leuten nicht mehr verabschieden.“ Du wirst rausgeworfen, rausbegleitet. Diese Fälle sind leider keine Seltenheit.

Ansprüche der Generation „Z“ an den Arbeitsmarkt

Die jungen, gut ausgebildeten, selbstbewussten Leute, die jetzt in den Arbeitsmarkt drängen, können sich im Grunde aussuchen, in welcher Firma sie anfangen, weil sie hochspezialisiert ausgebildet sind. Ist unsere Arbeitswelt auf die Bedürfnisse dieser Leute eingestellt? Können Führungskräfte mit diesen jungen Mengen umgehen?

„Die einen wollen nach der Ausbildung einfach nur ins System kommen, um erstmal Geld zu verdienen. Aber je nachdem in welchem Arbeitsumfeld sie Fuß fassen wollen, gibt es Bereiche, wo sie genau wissen: „Die Firma kann froh sein, dass sie mich gefunden hat.“

Everhard Uphoff

Diese Menschen wollen auf Vertrauensebene arbeiten. Sie erwarten Wertschätzung, Dankbarkeit auch in der Gesellschaft diesem Berufsstand gegenüber. Und natürlich wollen sie sich entwickeln, ihr Potenzial ausschöpfen und eine angemessene Bezahlung, Arbeitszeiten etc.

Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass die junge Generation andere Herausforderungen hat, als wir sie gehabt haben. Wir leben im Kapitalismus, wir leben im Wohlstand. Viele wachsen mit Dingen auf, wo alles selbstverständlich ist und man eigentlich gar keine schlechten Zeiten kennt. Und wenn man nie gelernt hat, auch mal Dinge auszuhalten oder sich auch mal durchzuboxen, wird es schwierig. Ich finde wichtig, dass man auch sowas mal erlebt und durchlebt. Von daher prallen da unterschiedliche Welten aufeinander. 

Selbstführung als Fähigkeit der Zukunft

„Sich selbst zu führen, sich zu reflektieren, sich überlegen, wo welche Maßnahme geboten ist. Ein Augenmaß für die Situation zu entwickeln, für denjenigen, der einem gegenübersteht. Für das Ergebnis, das man in dem Moment eigentlich braucht. Ich bin überzeugt, dass das der Skill der Zukunft sein wird.“

Everhard Uphoff

Was bedeutet es, sich selbst zu führen? Das hat viel mit den eigenen Werten zu tun. Und manchmal muss man leider feststellen, dass die eigenen Werte nicht mit den Unternehmenswerten oder der Unternehmenskultur der Firma übereinstimmen. Nicht selten kommen Führungskräfte oder Manager an einen Punkt, wo sie sich entscheiden müssen: Stehe ich zu mir selbst? Bin ich mir selbst treu? Wo mache ich Kompromisse und wo verleugne ich mich? Wo stehe ich nicht zu mir? Natürlich gibt es Fälle, in denen man aus persönlichen Gründen einen Kompromiss eingehen muss. Dann muss man manchmal Entscheidungen mittragen, hinter denen man eigentlich gar nicht steht. Irgendwann kommt der Punkt, wo man sagt: „Nein, ich gehe einen anderen Weg. Ich gehe meinen eigenen Weg, selbstbestimmt.“

Das ist ein Punkt, bei dem viele Arbeitnehmer, viele Menschen nicht bereit sind, aus der Komfortzone zu gehen und Eigenverantwortung zu übernehmen oder selbstbestimmt zu sein. Sie wollen geführt werden. Das sind die, die dann auch Angst bekommen, wenn sie in Systemen eingebunden sind, in denen gerade Leute abgebaut werden. Weil sie sich in dem System, in dem sie sich bewegen, sehr wohlfühlen. Bei großen Unternehmen ist es oft monetäre Sicherheit, die bindet. Vielleicht zahlt man mehr als ein anderes Unternehmen am Markt. Dann hat man zwar die Annehmlichkeiten eines großen Unternehmens, gleichzeitig werden einem die Flügel gestutzt.

„Ein Kunde sagte mal zu mir: „Ich bin ein Konzernsoldat. Ich mag das nicht mehr.“ Wenn man im Laufe der Jahre verlernt hat, sich selbst zu erneuern und eigene Wege zu gehen, dann tut eine Veränderung weh.“

Everhard Uphoff

Viele haben Angst vor Veränderung und sitzen es aus, sie verstecken sich und ducken sich weg. In großen Unternehmen gibt es häufig die Möglichkeit diesen Weg zu gehen.

Es steht uns eine Zeit des großen Umbruchs bevor. Da ist es wichtig sich selbst gut zu führen. Und sich auch zu fragen oder zu reflektieren, wie ich führen will oder geführt werden will. Das bestimmt jeder selbst mit, solange er sich auf diesen Entwicklungsprozess einlässt.

Letztendlich ist essenziell, dass jeder Mensch anfängt, Eigenverantwortung zu übernehmen.

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DIALOGSCHMIEDE®
Silke Küstner