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Resilienz im Management

Die Schlüsselqualifikation in den Führungsetagen – ein Gespräch mit Wolfgang Roth

Im Interview mit Wolfgang Roth spreche ich über sein Thema – die Resilienz in der Führung.

Wolfgang Roth kommt ursprünglich aus der Wirtschaft. Genauer aus der Personalentwicklung. Es folgte ein Studium zum Diplompsychologen sowie die Ausbildung zum Führungskräftecoach. Er ist Gründer des „Instituts für Resilienz“ und seit 2021 Mitgründer der „Resilienz Consulting“. Als Autor verfasste er zwei Bücher: „Die resiliente Führungskraft“ und „der Führerschein zum Resilienz Coach“

Everhard Uphoff

Unter anderem haben wir über diese Fragen gesprochen:

  • In aller Munde: die Selbstführung
  • Mehr als Esoterik: emotionale und spirituelle Kompetenzen in den Führungsetagen
  • Salutogenese. Was ist das?
  • bitte am Eingang wegstempeln! Die Gefühlswelten der Mitarbeitenden
  • „Der Mensch im Mittelpunkt“ – über Marketinghülsen & Werte
  • gefährlicher Antrieb: „ich muss es allen recht machen“

In aller Munde: Die Selbstführung

Egal in welcher Führungsebene, vom Manager bis zur Pflegekraft. Alles beschäftigt sich mit Zeitmanagement, Stressmanagement und mit wertschätzender Kommunikation. Aber was unterscheidet die resiliente Selbstführung von der herkömmlichen Selbstführung?

„Meines Erachtens unterscheidet sich resiliente Selbstführung von klassischer Führung vor allem in der Thematik, dass die Zeit es immer notwendiger macht, auf das Thema Psyche und psychische Gesundheit einzugehen. Auch wenn der Gesetzgeber seit 2013 das Thema „Gefährdungsbeurteilung“ in Unternehmen eingeführt hat – richtig viel bewegt hat sich seither nicht.“

Wolfgang Roth

Aber die Notwendigkeit die Psyche der Mitarbeitenden (egal ob Führungskraft oder nicht) verstärkt mitzudenken, steht immer deutlicher im Raum. Psychische und psychosomatische Erkrankungen nehmen rasant zu.

Oft als Esoterik abgestempelt

Das drängendste Problem in den Führungsebenen ist das mangelnde Bewusstsein dafür, dass es neben Gesundheits- und sozialen Kompetenzen auch, und besonders um die emotionalen Kompetenzen bis hin zu den spirituellen Kompetenzen geht. Trainings und Weiterbildungen mit diesen Themen finden häufig aufgrund mangelnder oder zu geringer Teilnehmerzahl gar nicht statt, werden oft belächelt und als esoterischer Kram abgetan.

Ein Widerspruch in sich. Denn, Führungskräfte sollen gesund führen. Das fängt mit einer gesunden resilienten Selbstführung an. Wie soll eine Führungskraft andere Menschen gesund führen, wenn sie sich selbst nicht gesund führen kann und gar nicht weiß, was gesunde Selbstführung ist?

„Ich würde sagen, die Verpflichtung der Unternehmer:innen für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu sorgen, wird noch längst nicht in dem Maße erfüllt, wie es notwendig wäre.“

Wolfang Roth

Was ist gesunde Selbstführung?

Diese Frage würde ich besonders in der Praxis gerne häufiger gestellt bekommen. Für die Beantwortung dieser Frage müssen wir uns zunächst anschauen, was ist ein gesunder Mensch und was braucht ein gesunder Mensch für Faktoren, um gesund zu bleiben? Um das zu beantworten, müssen wir uns zuerst mit der Salutogenese befassen.

Salutogenese – was ist das?

Die Salutogenese sagt aus, dass ein Mensch ein biopsychosoziales und spirituelles Lebewesen ist. Aaron Antonovsky war der Vorreiter in dieser Bewegung. Und er war der Meinung, dass Gesundheit durch Verstehbarkeit, Steuerbarkeit und Sinnhaftigkeit entsteht. Wenn ein Mensch versteht, was in seinem Leben vorgeht, er den Eindruck hat, dass er selbst wirksam eingreifen und steuern kann (also die Zügel in der Hand hat) und eine Sinnhaftigkeit in seinem Tun erkennen kann, dann trägt das zu seiner Gesundheit bei.

„Biologisch kümmern sich die Unternehmen häufig um Menschen. Ich sage mal ein paar Beispiele.“

  • Es gibt gesünderes Essen in der Kantine.
  • Es gibt Vereinbarungen mit Fitnessstudios.
  • Da kommt die mobile Massage an den Arbeitsplatz
  • Es bilden sich Laufgruppen oder es werden Yoga angeboten und Chill-out-Rooms installiert.

Aber inwieweit kümmern sich Unternehmen bereits um die psychosozialen und spirituellen Aspekte des menschlichen gesunden Daseins?

Seit inzwischen beinahe 10 Jahren besteht inzwischen die gesetzliche Verpflichtung, sich der psychischen Gefährdungsbeurteilung anzunehmen. Hauptsächlich geht es da um die Gefühlswelt von Menschen. Menschen sind Gefühlswesen.

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeitende ihre Gefühlswelt eher beim Einstempeln wegstempeln-, und wenn sie heimgehen, wieder einstempeln sollen. Das Thema Gefühl ist kulturell und gesellschaftlich bei uns eher nicht sehr weit verbreitet. Damit soll jeder selbst klarkommen, es gilt als unprofessionell im Business zu viele Gefühle nach außen zu zeigen.“

Wolfgang Roth

Die Trennung von Work und Life – wie soll das gehen?

Wir können unsere Gefühle nicht in Work und Life trennen, das ist nicht möglich. Es gibt genügend Studien, die zeigen, dass die meisten ihre Arbeitsplätze nicht wegen geringer Bezahlung verlassen, sondern wegen mangelnder Wertschätzung. Und die findet im sozialen Kontakt miteinander statt.

Spirituell: ein befremdlicher Begriff im Business-Kontext

Spirituell – das klingt für manche im Wirtschaftsbereich immer noch befremdlich. Es heißt aber nichts anderes, als das der Mensch auch ein sinnhaftes und sinnsuchendes Wesen ist. Bei Spiritualität im Business-Kontext geht es schlicht um Werte, Bedürfnisse, neudeutsch Purpose. Oder wie es Simon Sinek immer wieder beschreibt:  das große „Why“.

Mitarbeitende wollen wissen, warum und wofür Sie sich engagieren. Was ist der Sinn dahinter? Und da sind viele Unternehmen nicht so aufgestellt, dass sie sich damit wirklich intensiv befassen und das auch in Richtung der Mitarbeiter:innen kommunizieren können oder wollen.

„Ich glaube, dass es zwei Faktoren sind, warum das in Unternehmen so ist: Die einen Unternehmer oder Führungskräfte wollen es nicht und die anderen wollten es gerne und können die Umsetzung noch nicht. Und an beiden Punkten kann man natürlich ansetzen. Allerdings steht es für mich außer Frage das die gesetzliche Vorgabe der Einführung einer Gefährdungsanalyse nicht ignoriert werden darf. Leider wird dieses Thema in den Firmen viel zu wenig gelebt.“

„Ich habe drei weltweite Mitarbeiterbefragungen mit ungefähr 60.000 Mitarbeitenden begleiten dürfen. Ich meine, wenn wir Menschen danach zu fragen, wo Veränderungen in ihrem Unternehmen stattfinden müssten und wo der Schuh drückt, und sie öffnen sich und sprechen Missstände offen und vertrauensvoll an, und dann wird mit deren Engagement und Input nicht weiter gearbeitet, steht das Unternehmen im Anschluss immer schlechter da als vorher. Dann lieber gleich die Finger davonlassen.“

Wolfgang Roth

„Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt“: Marketinghülsen oder Werte?

Häufig formulieren Unternehmen in ihren Hochglanzbroschüren oder auf ihren Webseiten: Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt.

Wenn der Mensch wirklich im Mittelpunkt stehen würde, würden wir ihn involvieren in den Fragen zu Betriebsklima, Abläufe, Stimmung untereinander. Wie agieren und interagieren wir miteinander? Wie kommunizieren wir? Wie lösen wir Konflikte miteinander? Man würde die Mitarbeitenden immer wieder fragen: Wie empfindest du das hier bei uns? Brauchen wir da Veränderungen? Wenn ja, in welche Richtung?

Wenn wir so in Unternehmen agieren würden, dann würde der Mensch wirklich im Mittelpunkt stehen. Aber Menschen zu fragen und zu eruieren, was im Unternehmen los ist, und dann mit kritischen Ergebnissen nicht weiterarbeiten zu wollen, weil sie das gar nicht hören wollen, das setzt den Menschen im Grunde vollkommen außer Kraft.

Zahlen. Daten. Fakten.

Eine Studie von Gallup besagt, dass deutsche Unternehmen 105 Milliarden Euro mehr Gewinn machen würden, wenn sie gute Führungskräfte hätten. Weiterhin besagt diese Studie, dass nur 15 Prozent der Mitarbeitenden wirklich mit Herz, Hand und Verstand bei der Arbeit sind. Ein häufiger Grund dafür ist, dass wenn sie Bedenken zu Fehlentwicklungen äußern, entweder nicht gehört werden und gar Probleme bekommen. Diese Mitarbeitenden müssen dann irgendwann einfach auf Autopiloten schalten, um mental zu überleben.

„Diese Phänomene, der Dienst nach Vorschrift und die innere Kündigung, nimmt aus meiner Wahrnehmung sehr stark zu. Viele warten nur darauf etwas adäquates Neues zu finden um dann abzuspringen.“

Wolfgang Roth


Unternehmer wissen, dass man aus unternehmerischer Sicht manchmal Leute entlassen muss, weil es einfach betrieblich nötig ist. Entscheidend für eine gelingende Exitstrategie ist, mit welcher inneren Haltung diese Gespräche geführt werden.

Führungskräfte haben unterschiedliche Hüte auf, nicht nur den des Unternehmers, sondern auch den des Betroffenen. Die Frage ist immer: Wie wird miteinander kommuniziert? Wenn man über keine Empathie verfügt, sich nicht in die Lage des anderen versetzen kann, wird das für den Trennungsprozess nachteilig sein.

Überlebenswichtig: ein ausgeprägter Geduldsmuskel!

„Für mich, der seit über 30 Jahren in diesem Thema drin ist, braucht es einen sehr ausgeprägten Geduldsmuskel. Sich drei Jahrzehnte sich mit den Themen Gesundheit, Resilienz, Salutogenese und gesunde Führung zu beschäftigen und erst drei Jahrzehnte später festzustellen, dass es so langsam in den Unternehmen ankommt, da braucht es schon Zähigkeit und Ausdauer.

Und gleichzeitig würde ich sagen, ja, es bewegt sich was. Oft sind es Nadeln im Heuhaufen. Auch ich finde im Unternehmens-kontext immer wieder diejenigen, die sagen: „Ich habe das komplett verinnerlicht. Genauso ist meine Haltung. Und ich bräuchte jetzt vielleicht noch ein bisschen Unterstützung bei der Umsetzung.“ Die gibt es zunehmend. Aber in der Breite, würde ich sagen, ist es noch nicht so richtig angekommen.

Und häufig höre ich: „Herr Roth, Sie sind doch Resilienz Trainer! Machen Sie mal unsere Mitarbeitenden ein bisschen resilienter. Klammer auf: Damit wir die weiterhin so auspressen können. Klammer zu.“

Führungskraft 4.0:
Die Eierlegendewollmilchsau

Wie kann man Führungskraft damit umgehen, dass jeder Mitarbeitenden andere Bedürfnisse und Erwartungen an die Führung hat?

Das ist eine wunderbare Frage, denn die führt uns jetzt noch ein Stück weiter in die Tiefe. Wie lerne ich diese Komplexität und diese Anforderungen an Führung? Ich lerne sie dadurch, dass ich mich selbst und meine unterschiedlichsten Selbstanteile permanent reflektiere. In dem Moment, in dem wir in die Selbstwahrnehmung gehen, werden wir die unterschiedlichsten Konflikte in uns selber feststellen.

Z.B. haben wir in jeder Sekunde Bedürfniskonflikte. Zum einen haben wir das Bedürfnis, eingebunden zu sein und uns in einer Gruppe sicher zu fühlen. Und gleichzeitig haben wir das Bedürfnis der freien Entfaltung, der Selbstständigkeit, der Selbstwirksamkeit. Häufig wird uns sowas in Partnerschaften sehr schnell bewusst. Wenn wir ehrlich in uns reinspüren, merken wir, das es ein anspruchsvoller Prozess ist, eine Entscheidung zu treffen, die sich auch stimmig für uns anfühlt.

Im Business-Kontext haben wir vielleicht zehn Mitarbeitende. Der eine hat dies Bedürfnis, der andere hat das Bedürfnis. Und dann kommt von oben häufig noch ein anderes, vielleicht widersprüchliches Bedürfnis und die Führungskraft ist in der Sandwichposition dazwischen.

Wenn die Führungskraft nicht gelernt hat, mit Konflikten stabil für sich zu bleiben, dann erdrückt sie die Situation.

Vorsicht beim Antreiber: „Ich muss es allen Menschen recht machen“.

Mit diesem Glaubenssatz als Führungskraft unterwegs zu sein, wird auf Dauer ziemlich anspruchsvoll. Menschen, die so führen werden, früher oder später in die Erschöpfung gehen. Daneben gibt es allerdings Menschen die früh gelernt haben, dass es auch mal daneben gehen kann. Sie versuchen einfach beim nächsten Mal es besser zu machen. Die sogenannten Stehaufmännchen.

„Die Betonung liegt auf: Gelernt haben. Und darin liegen noch deutliche Defizite. Wir schulen Führungskräfte noch nicht genug darin, zu lernen wie sie mit Fehlschlägen resilient umgehen. Sie müssen wissen welche Faktoren tragen dazu bei, dass sie wieder aufstehen können. Und neben dem Wissen um diese Faktoren, müssen sie sie natürlich auch trainieren.“

Wir schaffen es nicht aus einem Vogel einen Fisch zu machen

Gibt es Klienten oder Patienten, die sich nach der Arbeit mit dir um 180 Grad gedreht haben? Ein Fall bei dem vielleicht aus einem Choleriker eine empathische Führungskraft wurde?

„Wir schaffen es nicht, aus einem Fisch einen Vogel zu machen. Und ich meine jetzt nicht, dass der Coach oder der Therapeut da irgendwas macht, sondern von den Grundveranlagung ist der eine vielleicht eher Fisch und der andere eher Vogel.

Und das wird nicht umgekehrt werden. Worum es im Leben häufig geht, ist die Dosis. Die Dosis macht das Gift. Und manche Menschen haben dann bestimmte Themen bei sich überdosiert oder unterdosiert.

Und dann arbeiten wir an der Dosierung und nicht am switchen vom Fisch zum Vogel.“

Wolfgang Roth

Kontakt

DIALOGSCHMIEDE®
Silke Küstner